Blinde Anschauungen

Es geht weiter mit der Malerei. Als der Laie, der ich bin auf diesem Gebiet, da glaube ich ja gerne Alles! Ganz und Gar!
So geschehen beim Meister von Flémalle. Der hat das  Mérode Triptychon gemalt. Frühes fünfzehntes Jahrhundert. Heutige Niederlande. Ist völlig egal.
Laut anderen Quellen heisst der Maler Robert Campin, dann soll es wieder die Werkstatt mit vielen Händen gewesen sein, und welche Hand von wem nun stammt, das weiss man auch nicht. Und morgen wieder ganz ein Anderer. Wird alles gedruckt und behauptet.
Wehe jedem, der vor dem Bild steht und sagt: „Das ist ein Campin!“
Das war nix!

Interessanterweise unterschieden sich die Ursachenzuschreibungen der „Antoninischen Pest“ im 2. Jahrhundert nicht grundlegend von den Erklärungen für die große Pest im 14. Jahrhundert. Verunreinigungen der Luft und miese astrologische Konjunktionen. Stimmte nicht ganz, aber die Leute haben es geglaubt.

Die „Konstantinische Schenkung„, eine gefälschte Urkunde aus dem 8. Jahrhundert sichert dem Papst die Herrschaft über Italien zu. Das „Privilegium Maius“, eine Fälschung aus dem 14. Jahrhundert, bescherte den Habsburgern Sonderprivilegien und jede Menge „Erz“-Titel.

Die Liste solcher aus heutiger Sicht ganz cleverer Mogeleien lässt sich locker erweitern, wenn man den Fundus der Kirche betrachtet. Ob Reliquien, Ablässe, die Heiligen Drei Könige überhaupt oder die Vorhölle. Das waren halt falsche Theorien. Da ist man heute weiter. Die heilige Lanze, so hat man herausgefunden, die stammt aus der Merowingerzeit und konnte so unmöglich eine Rolle gespielt haben bei der Kreuzigung Christi. Und mit dem Heiligen Georg tat man sich auch schwer, der wurde klammheimlich abgeschafft und auf Bestandssicherung reduziert.
Wie blöd waren die Leute eigentlich früher, dass die so einen Kram geglaubt haben?
Im Vergleich zu uns im 21. Jahrhundert schon unfassbar bescheuert.

Ganz selten kommt es heute vor, dass da mal so ein Ding ausbaldowert wird wie die „Brutkastenlüge“, die der Intervention in Kuwait seinerzeit noch einen moralischen Anstrich gab. Und wenn es nicht um eine ernste Sache ginge, würde man sich heute wegschmeißen können vor Lachen, wenn man sich die Berichterstattung zur Havarie in Tschernobyl in der BRD ankuckt.
Das sind Ausrutscher. Kann mal vorkommen.

Ich gebe ja zu, manchmal haben mich solche Nachrichten irritiert. Regelmäßiger Auslöser solcher Verunsicherungen sind Schlagzeilen wie „Kommt eine neue Eiszeit?“
Nach dem letzten Sommer wäre es mir fast recht. Aber nur eine ganz kleine, bitte. Oder das Waldsterben. Vor 30 Jahren oder so habe ich felsenfest daran geglaubt, 2016 kein Fizzelchen Wald mehr stehen zu sehen, Stein und Bein hätte ich darauf geschworen. Nu ja, ein bisschen ist ja noch da und steht so herum.

Ja, ja. Könnte man noch weitermachen. Der Werner von Oberwesel, der Sturz Ceaucescus, Erich von Däniken und die FIFA ….. ich höre jetzt auf. Mag jeder seine Schlüsse ziehen.

Meine Konsequenzen? Der gute Vorsatz war:
Kein Fernsehen mehr. Hab ich nicht wirklich durchgehalten. 2 mal Spiele der NFA geguckt. Und der Super Bowl kommt. Es wird da schon mit rechten Dingen zugehen. Knock on wood!
Oha, und auf der Wikipedia angemeldet. In der schier wahnwitzigen Hoffnung, ein Muggaseggele mehr an einen unmassgeblichen Schritt zur Wahrheitsfindung beitragen zu können.

 

 

26 Gedanken zu “Blinde Anschauungen

    • Lügenpresse stell ich mir sehr kompliziert vor. Am Albtrauf hockt ein Lohnschreiber im Büro, da gleitet der Ressortchef rein und meint, da solle müsste mal doch mehr gelogen werden.
      Dann müsste man die Lüge förmlich erfinden. Ich glaube, das ist anstrengend.
      Aber wenn man das schon alles schön fertig und abgepackt kriegt ……

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  1. „Wie blöd waren die Leute eigentlich früher, dass die so einen Kram geglaubt haben?
    Im Vergleich zu uns im 21. Jahrhundert schon unfassbar bescheuert.“
    Du hast geradezu einige Paradebeispiele aus der Geschichte aufgezählt.

    Wir halten uns seit zweihundert Jahren für aufgeklärt mit zunehmender kritischer Haltung. Meinen wir jedenfalls. Und was wissen wir wirklich?
    Geschichte wird gemacht. Irgendwann wird ein Historiker auftauchen und die völkerrechtswidrige Besetzung des Kosovo verifizieren. Und die Mehrheit glaubt immer noch, dass die Serben die bösen Buben gewesen wären. Dabei sind die bloss in die wohlaufgestellte Falle der kroatischen Faschisten getappt.
    Oder woher das Benzin stammte, mit dem man anno 42 gen Russland marschierte und ohne diesen Treibstoff wäre der ganze Feldzug nicht möglich gewesen, da Deutschland keine nennenswerten eigenen Ölvorkommen hatte.

    Oder das Märchen vom Wirtschaftswunder und dem angeblichen Vater der D-Mark. Der durfte an den Vorbereitungssitzungen nicht mal teilnehmen. Der Lui hatte seinen Nazikumpanen geholfen, dass enteignete jüdische Unternehmer jahrelang um die Rückgabe ihrer Betriebe kämpfen mussten und dann nur einen Bruchteil davon zurückerhielten. Philipp Rosenthal beispielsweise. Für diese Verschleppung hat der übergewichtige Erhard fett kassiert….

    Insofern sind auch die Lügner woanders zu suchen. Die Medien verdauen lediglich, was ihnen zum Frass vorgeworfen wird.

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    • Sag mir nix gegen Lou. Der einzige Bundeskanzler, der je am hiesigen Zeitbeerenfest teilgenommen hat. Mit weisser Tischdecke und dickem Stumpen. Ich hab ihn live dort gesehen.

      Als Stifterfigur hätte der ein komplettes Altarbild ausgefüllt. 😉

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    • Eine Leserin schreibt:

      Srebrenica, Massenvergewaltigungen, klar, das kann einem schon mal unterlaufen, wenn man in eine Falle getappt ist, da muss mann noch lange kein böser Bube sein. Blinde Anschauungen.

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      • Ach, Sie waren auch schon in Srebrenica? Zu wenige Menschen schauen sich solche Orte an. Dort sind differenziertere Erkenntnisse möglich. Beispielsweise die des Unterschieds zwischen (serbischen) Serben und bosnischen Serben. Phrasendreschern und -drescherinnen ist das natürlich egal.

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      • Wer damals in welche Falle getappt ist, darüber wird sicherlich in einem schlauen Buch einiges zu lesen sein, irgendwann gibt es eine Doku auf Arte, wo die Hintergründe recherchiert werden. Nur interessieren dann solche Ereignisse nur noch eine Minderheit, weil längst wieder neue Säue durch’s Dorf getrieben werden und weil sich die Leute lieber das Dschungelcamp reinziehen.

        Ist doch alles in schönster Ordnung auf dem Balkan heute, da soll man uns jetzt gefälligst nur die Flüchtlinge vom Leib halten.

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  2. „Die Wahrheit“ gibt es nicht. Genauso wenig „die Realität“.

    Es gibt immer nur Interpretationen, Auslegungen dessen, was man gesehen oder gehört hat, was andere sagen, was publiziert wird / wurde.

    Und weil es weder objektive Realität noch Wahrheit gibt, wird um die Deutungshoheit immer gekämpft, aus politischen Gründen natürlich.

    Wer es schafft, seine Interpretation glaubwürdig zu machen, Anerkennung bei einflussreichen Menschen oder der Masse zu finden, bestimmt, was wahr, was real ist, macht seine Version von Wahrheit und Realität allgemeingültig.

    Die Aufklärung hat interessierte Gebildeten zwar zu Skeptikern gemacht, die nichts ungeprüft hinnehmen. Dennoch sind auch in der postindustriellen Gesellschaft die meisten Menschen, obwohl ihnen alle Informationsmöglichkeiten offen stehen, aus Dummheit,Faulheit oder Überforderung täglich der Gefahr ausgesetzt, einfache Interpretationen für Wahrheiten zu halten.

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  3. Was gibt es denn Schöneres, als bei der Presseschau am Frühstückstisch oder abends bei einem Bierchen in der Tagesschau darüber informiert zu werden, wie überall auf der Welt die Guten gegen die Bösen kämpfen. Ungefähr so wie bei Bonanza.

    „Wer es schafft, seine Interpretation glaubwürdig zu machen, Anerkennung bei einflussreichen Menschen oder der Masse zu finden, bestimmt, was wahr, was real ist, macht seine Version von Wahrheit und Realität allgemeingültig.“

    Sehr richtig, was du schreibst. Zur Zeit des dreissigjährigen kalten Krieges nannte man das mal Propaganda. Da kam das Böse immer irgendwie aus dem Osten. Oder die „gelbe Gefahr“. Dann musste die Kavallerie her, John Wayne ganz vorne und die Sache wieder richten.

    Der Kompass hat sich etwas gedreht. Mein Lieblingsnachrichtenblatt haut derzeit eine mutmassliche Straftat nach der anderen heraus, die von „südländisch aussehenden Menschen“ verübt wird. Aber die Kavallerie ist schon wieder unterwegs. Gegen das Böse.

    Ich hab Bonanza immer deshalb so gerne angeguckt, weil schon von der ersten Sekunde her klar war, dass die Cartwrights gewinnen werden – und immerhin haben sie alle Bösen aus dem Wilden Westen vertrieben. Oder war es nicht so?

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    • Ich achte beim Mediengebrauch strikt darauf, nur Meldungen und Kommentare zur Kenntnis zu nehmen, die meine Meinungen und Anschauungen bestätigen. Das erspart Verunsicherung und Orientierungslosigkeit.

      Dankenswerter Weise unterstützen mich bei diesem Versuch, das Leben zu vereinfachen, etliche Journalisten, Zeitungen und Sender, indem sie sich ebenfalls bemühen, mich und andere Leser/Hörer/Zuschauer nicht durch eine zu differenzierte und vom Mainstream abweichende Darstellung zu verwirren.

      Bonanza war klasse! Es wäre an der Zeit für ein Remake. Heutige Serien sind oft zu komplex und zu engagiert. Denk nur an die Lindenstraße. Ich habe von Hoss Cartwrights unverdrossenem Bemühen, die Zäune an der Nordweide zu reparieren, mehr gelernt als von Herrn Beimers überaus sozialem Verhalten.

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      • Genau so halte ich es auch!

        Man kann so ein Verhalten einüben!

        im tiefen Inneren stellt sich dabei das Gefühl ein, einer von Wilhelm Buschs Figuren mit der Meerschaumpfeife im Lesesessel zu gleichen. Im Morgenmantel.

        Die Nordweide! Wie oft kam Hoss mit einer Schlinge am Arm von der Nordweide zurück, dort konnte er ein Fresspaket von Hop Sing auf einen Kilometer riechen, falls ihn irgendwelche Bösen dort an seinen Arbeitsplatz banden.
        Das konnten ja nur unsere Freunde sein. Lorne Greene entschied immer weise und gütig. Mit Frauen hatten die gar nichts am Hut, kurze Affären waren in einer Folge beigelegt.

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      • Bonanza ist der Speyrer Dom der Westernserien. Da kann man nicht weitermachen.

        Obwohl. Mir fallen da unsere anstehenden Landtagswahlen ein. Winfried Kretschmann könnte Pa Cartwright sein, denn er ist ergraut. Und er ärgert mich nicht. Schickt seine Söhne auf den Weiden herum und macht keinen wirklich großen Blödsinn.
        In seiner gesamten Legislaturperiode hat der mich etwa ein tausendstel der Zeit von derjenigen aufgeregt, in der mich sein Vorgänger auf 180 gebracht hat. Ich glaub, das war ein Böser.

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      • Naja, von mir aus ist Bonanza der Speyrer Dom…
        Aber der Naumburger Dom ist „Rauchende Colts“ – denn eine Westernserie ohne Festus ist immer nur ein halbes Ereignis. Besonders tief eingeprägt hat sich die Folge, in der er auf einem Felsvorsprung einen alten Prärieindianer findet, der dort auf den Tod wartet – und dem er Lebensmut geben will, indem er ihn in die Stadt mitnimmt. Dort rettet der dann ein kleines Mädchen mit Fieber-Schock, indem er es in die Pferdetränke taucht und die Passanten, glauben, der will es ertränken.
        Und Festus kann in nur knapp vor dem Lynch-Tod retten – der Doc erkärt den Leuten, dass es genau richtig war, was wie „Rothaut“ getan hat, aber die sitzt schon wieder stumm in einer Stubenecke und wartet auf den Tod, will sich also gar nicht feiern lassen.
        Festus begreift, dass es zwar gut für die Kleine war, dass er den Insman mitgebracht hat, dass er aber ahnungslos in ein Brauchtum eingegriffen hat und dass das Blödsinn war – also bringt er den Alten wieder zu dem Felsen, an dem die Sendung begann.

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      • Eine Leserin schreibt:

        Wenn Kretschmann der neue Cartwright wird, dann könnte Schavan die junge Dame auf dem Foto, das er in speziellen Momenten immer so traumverloren anschaut, sein. (Wenn ich mich recht erinnere, nimmt er es aus einem Sekretär.) Sie ist zwar noch nicht im Himmel aber immerhin schon in Rom.

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  4. Jetzt kommt mir da einer mit Hop Sing daher, und ich wollte da gerade eine seriöse Diskussion über zeitgeistliche Verwirrungen und Irrungen auf den Weg bringen. Geistiger Elfmeter, Monsieur Ärmel.
    Aber noch einmal Schwamm drüber, zu sehr erinnert mich das an mein eigenes Verhalten bei Bereichskonferenzen 🙂

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    • Da komm ich gleich noch als „die Gefahr aus dem Osten“ um die Ecke: Call me Mr. Sparwasser! (wegen geistigem Elfmeter und so 😉 )
      Cartwings heest det! Wir waren 11 oder 12, also noch kein Englischunterricht und in unserem Teil der Stadt kein ZDF-Empfang, also lasen wir und dieses Cartwrickt kam uns irgendwie marsianisch vor. Es musste sich doch irgendwie englisch anhören! Also Cartwing!

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    • Eine Mondsichelconchita!
      Ich mag die Mondsichelmadonnen. Wenn ich irgendwann mal Kunstgeschichte studieren sollte, dann würde ich eine Seminararbeit über die unterschiedlichsten Formen der Mondsichel schreiben.
      Genau das braucht nämlich die Welt auch noch !

      Danke für’s Ü-Ei 🙂

      PS: Wie der Zufall so spielt, ich hab eine Brotsichelfigur gefunden, 5 Minuten nach dem Poating 🙂 🙂

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